AutorInEin Beitrag von Cigdem Kaya
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Die Linke Kreisverband Oberhausen
23.11.2016

Haushaltsrede von Dr. Martin Goeke

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

meine Damen und Herren, liebe Gäste

auch wenn wir langsam aber sicher in die Vorweihnachtszeit eintreten, wir können uns an der heute hier verkündeten „frohen Botschaft“ nach einem erstmalig seit 25 Jahren ausgeglichen Haushalt, nicht so erfreuen, wie Sie es tun. Nach wie vor sind uns die tiefen Einschnitte im städtischen Haushalt und die Opfer, welche die Oberhausenerinnen und Oberhausener hinnehmen mussten, nur allzu präsent.

Bei der Beschäftigung mit dem Haushalt musste ich gleich mehrmals an Bertolt Brechts berühmtes Stück „Der gute Mensch von Sezuan“ denken. Dort wird die Frage aufgeworfen, ob es ein gutes Handeln im Schlechten geben kann. Bei der Bewertung des Haushalts möchte ich mich daher im Konkreten mit der Frage beschäftigen, ob es ein gutes politisches Handeln unter schlechten Bedingungen geben kann.

Ich denke, dass wir uns schnell einig sind, dass die deutsche Finanzverfassung strukturelle Schwächen aufweist, die sich gerade bei den Kommunen kumulieren. Der kommunale Anteil am Gesamtsteueraufkommen sinkt, während die kommunalen Aufwendungen, gerade im Bereich der Leistungsgesetze steigen. Doch als Kommune sind wir bei dieser Frage machtlos. Es handelt sich hier um Bundesgesetzgebung, bei der die kleinste, aber wichtigste politische Einheit durch eine nicht ausreichende Finanzierung zur Handlungsunfähigkeit gezwungen wird. Ich frage mich, wie kann es sein, dass die öffentlichen Kassen im ersten Halbjahr 2016 einen Überschuss von 18,5 Milliarden Euro erzielen und sich in Berlin mit der „schwarzen Null“ brüstet wird, während in den Kommunen nichts ankommt und ihre Verschuldung steigt? Seit vielen Jahren gehört Oberhausen mit seinen derzeit gut 1,6 Milliarden Euro Schulden zu jenen deutschen Kommunen mit der höchsten Schuldenlast. Wie wenig sich der Bund an den realen Aufgaben der Kommunen beteiligt, wird unter anderem an den Kosten für die Geflüchteten deutlich. Der Bund zahlt einen Jahresbetrag von 10.000 EUR pro Flüchtling, tatsächlich benötigt werden von der Stadt Oberhausen jedoch 15.000 EUR je Flüchtling. Die Zuweisungen von Bund reichen bei weitem nicht aus, damit Oberhausen die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Unterbringung, Versorgung und Integration bewältigen kann.

Doch nicht nur der Bund ist an der desaströsen finanziellen Lage der Kommune mit verantwortlich, auch das Land trägt hier eine Mitschuld. Um der schwierigen Situationen in den Kommunen Herr zu werden, brachte das Land den sogenannten „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ auf den Weg. Der Stärkungspakt war und ist aber keine ausreichende Lösung der Unterfinanzierung der Kommunen. Er war nicht einmal eine ausreichende Hilfe zur Selbsthilfe. Denn bei der vermeintlichen Hilfe des Landes handelt es sich um eine Zwangsmaßnahme: Die Stadt ist gesetzlich verpflichtet, ihr Defizit durch Leistungsstreichungen oder durch Steuererhöhungen auf null zu bringen, möchte sie im Gegenzug Landesgelder erhalten, die weit unter dem eingekürzten Betrag liegen. In diesem Zusammenhang wird viel darüber gesprochen, dass die Stadt „sparen“ müsse. Aber es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Sparen und Kürzen: Wer etwas spart, baut eigenen Besitz auf, der später genutzt werden kann. Was Sie aber hier seit Jahren machen, ist aber genau das Gegenteil: Nichts wird gespart, also für später zur Seite gelegt, sondern im Gegenteil: Durch Ihre Kürzungspolitik wird die kommunale Substanz immer weiter abgebaut! Das ist unsere zentrale Kritik an der Haushaltspolitik: Was Sie uns als „Haushaltssanierungsplan“ verkaufen wollen, sichert den Haushalt keineswegs, sondern trägt zur Zunahme von Unsicherheit, Unterversorgung und Prekarisierung in unserer Stadt bei.

Sparhaushalte und Spardiktate von der Bezirksregierung sind daher nicht der Ausweg, Schulden machen auch nicht. In den vergangenen Jahren hat Oberhausen durch wiederholte Haushaltssicherungskonzepte bereits die Leistungsfähigkeit der Kommune für ihre Bürgerinnen und Bürger geschwächt: Weniger Schwimmbäder, dafür höhere Eintrittspreise, weniger Sportanlagen, Investitionsstau in den Schulen, Parkgebühren am Kaisergarten und ein Abbau an Kulturangeboten, wie dem Bücherbus und die Schließung von Stadtteilbibliotheken. Auch mit den finanziellen Mitteln aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen ist Oberhausen 2021 immer noch nicht schuldenfrei. Es werden bis dahin – vielleicht – nur keine zusätzlichen Schulden gemacht, aber die Altschulden lasten weiter auf Oberhausen.

Die Profiteure dabei sind vor allem private und finanzmarkt-orientierte Banken, die sich an den Zinzerträgen die Hände reiben. Und so müssen im Haushalt 2017 alleine 37 Millionen Euro als Zinsausgaben veranschlagt werden. Auch der Stadtkämmerer kommt in der Verwaltungsvorlage nicht herum zu schreiben: „Es wird deutlich, dass die enorme Belastung aus der Vergangenheit den Haushalt weiter nachhaltig belastet und die Zinsbelastung ein großes Risiko für die Zukunft darstellt.“

Zwar appellieren wir alle seit Jahren an den Bund und an das Land Veränderungen herbeizuführen, getan hat sich aber kaum etwas. Eine Kritik an Bundes- und Landespolitik muss deshalb in der Haushaltsdebatte immer wieder geäußert werden, da sie uns Kommunalpolitiker zu einem Handeln in einem schlechten System zwingt.

Jedoch ist es da auch an Ihnen, meine Damen und Herren, an ihre Parteienvertreterinnen und -vertreter in Land, Bund und EU zu appellieren, die entsprechenden Gesetze auf den Weg zu bringen.

Der vorliegende Haushaltsplanentwurf für 2017 steht heute genauso zur Verabschiedung an, wie der mehrmals gegen unsere Stimmen beschlossene Haushaltssanierungsplan. Sie feiern heute den Haushaltsausgleich und suggerieren den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt, dass weitergehende Kürzungen alsbald ein Ende haben werden. Viel zu selten wird erwähnt, dass der Haushaltsausgleich für 2017 nur mit Hilfe der Gelder des Stärkungspaktes gelungen ist. Diese Gelder werden ab 2021 auslaufen und weitere Kürzungen werden auch in den nächsten Jahren auf der Tagesordnung stehen.

Wir wissen, dass der Kämmerer einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen muss. Wir wissen aber auch, dass viele Zahlen darin auf Hoffnung gebaut sind. Da braucht nur die Konjunktur stottern, die Bevölkerungsentwicklung hinter den Erwartungen zurückbleiben oder ein einzelner großer Steuerzahler wegbrechen. Wie schnell wir plötzlich unter einer Haushaltssperre stehen, haben wir erst vor drei Monaten erleben dürfen.

Und aus diesem Grund werden auch in den folgenden Jahren weitere Kürzungen und Gebührenerhöhungen auf die Oberhausenerinnen und Oberhausener hinzukommen. Heute hat der Rat dies mit der Anhebung der Grundsteuer B bereits getan.

Ein weiteres Beispiel für ihre verfehlte Haushaltspolitik ist die Personalpolitik. Das jüngste Schreiben des Personalrats auf der einen Seite, aber auch die Forderungen der Gewerkschaften auf der anderen Seite sollten Mahnung genug sein. Sie weisen jeweils zu Recht darauf hin, dass bei der Feuerwehr, im Jugend- und Sozialbereich und für die Bewältigung der Herausforderungen aus der Flüchlingssituation, aber auch in diversen anderen Bereichen Neueinstellungen dringend notwendig wären, um den aktuellen Personalmangel zu beseitigen.

Der fortlaufende Haushaltssanierungsplan wird hingegen auch weiterhin gravierende Einschnitte beim Personal in unserer Verwaltung erfordern. Bereits in der Vergangenheit ist eine Vielzahl von Arbeitsplätzen „weggefallen“, weil die frei gewordenen Stellen nicht wiederbesetzt wurden. Bis zum Jahr 2021 wird es in der Verwaltung somit 200 Stellen weniger geben, als noch im Jahr 2012. Wir müssen uns die Frage stellen, wie viel Mehrbelastung für Angestellte in unserer Stadt noch zumutbar ist. Denn, weniger Personal bedeutet nicht weniger Arbeit und die Arbeitsverdichtung in einzelnen Abteilungen ist evident. Das heute neu eingestellte Personal wird fast ausschließlich mit Zeitverträgen über Drittmittel finanziert und abgespeist. Befristete Beschäftigung bedeutet existentielle und finanzielle Unsicherheit für die Betroffenen – daher treten wir uneingeschränkt für die Schaffung von sicheren Bes

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