AutorInEin Beitrag von Henning v. Stoltzenberg
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Die Linke Kreisverband Oberhausen
01.09.2023

Redebeitrag Ralf Fischer zum Antikriegstag am 1. September

Heute ist der 1. September. Heute vor 84 Jahren überfiel die deutsche Wehrmacht Polen, in den Jahren darauf die Sowjetunion, die Benelux-Länder, Frankreich, Dänemark und Norwegen sowie weite Teile Osteuropas. Bis nach Griechenland und Nordafrika war niemand vor den deutschen Faschisten sicher.

Die Bilanz dieses Verbrechens waren rund 60 Millionen Kriegstote, dazu rund 6 Millionen ermordete Jüdinnen und Juden und nochmal etwa 6 Millionen weitere Opfer, die wir hier gar nicht alle aufzählen können. Die Lehre nicht nur aus diesem Krieg, sondern aus den beiden von Deutschland angezettelten Weltkriegen lautete und lautet immer noch: NIE WIEDER KRIEG!

Nicht erst der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, sondern alle 240 Kriege weltweit seit Ende des zweiten Weltkrieges belegen: Krieg ist nicht die berühmte „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, sondern das Ende aller Politik. Krieg ist und bleibt das größte Verbrechen, das die Menschheit an sich selbst verübt.

I.

Auch der russische Überfall auf die Ukraine ist ein Verbrechen. Bis heute wurden geschätzt 10.000 Menschen in der Ukraine ermordet, von einer halben Million getöteter und verletzter Soldaten ist die Rede. Dieser Krieg muss gestoppt werden. Die Truppen gehören entwaffnet und nach Hause geschickt. Das geht, wenn man das will. Deswegen fordern wir unsere Bundesregierung auf:

–              Beteiligen Sie sich an den weltweiten diplomatischen Initiativen, gemeinsam mit Brasilien, Südafrika, China und anderen Staaten, die eine politische Lösung herbeiführen wollen. Wir brauchen einen Waffenstillstand und sofortige Friedensverhandlungen.

–              Stoppen Sie die Waffenlieferungen! Jede gelieferte Waffe verschlimmert und verlängert den Krieg. Die Waffen werden immer offensiver, erst lieferten wir Gewehre und Helme, dann leichte Panzer, dann schweres Gerät bis hin zu Kampfflugzeugen. Jetzt sollen es auch noch Mittelstreckenraketen sein, mit denen russisches Gebiet erreicht werden kann. Mit jeder gelieferten Waffe wächst die Gefahr, dass dieser Krieg zu einem wirklich großen Krieg eskaliert. Haben wir vergessen, dass wir in den 1980er Jahren schon einmal dicht vor einem Atomkrieg standen? Stoppen Sie die Fahrt auf dieser Rutschbahn, solange es noch geht!

–              Öffnen Sie die Grenzen für alle Menschen, die sich dem Krieg durch Flucht entziehen. Wir fordern die unbürokratische Aufnahme ukrainischer und russischer Soldaten, die einander nicht mehr töten wollen. Deserteure können Kriege beenden. Wir wissen das doch aus der deutschen Novemberrevolution von 1918: erst das massenhafte Desertieren führte nicht nur zum Ende des Kaiserreichs, sondern auch zum Ende des ersten Weltkrieges, weil die Herrschenden ihren Krieg nicht weiterführen konnten. Die Verweigerung des Kriegsdienstes ist ein Grundrecht, ein Menschenrecht. Deswegen ist die drohende oder tatsächliche Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern ein legitimer Asylgrund, der endlich auch von Deutschland anerkannt gehört.

–              Beenden Sie solche Sanktionen gegen Russland, die die Bevölkerung treffen! Denn sie ist für diesen Krieg genauso wenig verantwortlich wie wir. Natürlich haben wir nichts dagegen, wenn im Mittelmeer die Luxusjacht eines russischen Oligarchen beschlagnahmt wird. Natürlich spricht nichts dagegen, dessen schweizer Konten einzufrieren und die Gelder zur Beseitigung von Kriegsschäden zu verwenden. Die Lieferung von Lebensmitteln oder anderen wichtigen Gütern aber geht auf Kosten der Zivilbevölkerung und darf nicht länger blockiert werden.

II.

Bislang geizt unsere Bundesregierung mit der nötigen Diplomatie. Stattdessen legt sie unter dem Stichwort „Zeitenwende“ das größte Aufrüstungsprogramm in der Geschichte unseres Landes auf. Der Ukraine-Krieg ist dabei nur ein Vorwand für Rüstungsprojekte, die alle schon vor Putins Überfall auf die Ukraine in der Schublade lagen und die der Ukraine auch nicht helfen.

Bei den 100 Milliarden Euro, die wie aus dem Nichts aus Gringotts Zauberbank aufgetaucht sind, geht es nicht um fehlende Wollsocken und Unterhosen. Die Bundes­wehr wurde zu keiner Zeit „kaputtgespart“. Vielmehr bekommt sie schon seit Jahren ein immer größeres Stück vom Kuchen. Mit solchen „Argumenten“ wird der Bevölkerung Sand in die Augen gestreut.

In Wahrheit geht es um neue, offensiv einsetzbare U-Boote und Fregatten, vor allem aber um den neuen Kampfjet F-35, für den jetzt in Weeze eine neue Fabrik entsteht. Dieser Kampfjet kann unter Tarnung fliegen und mit Atombomben bestückt werden. Militärisch betrachtet ist das eine Waffe, die nicht der Verteidigung, sondern einem Angriff dient. Schließlich muss niemand über dem eigenen Land oder über dem NATO-Luftraum getarnt fliegen. Diese Fähigkeit wird nur benötigt, wenn man feindliches Radar austricksen will, wenn man also illegal in den Luftraum eines anderen Landes eindringt. Deswegen fragen wir unsere Bundesregierung: Wen wollen Sie eines Tages damit angreifen? Über wem wollen Sie eines Tages eine Atombombe abwerfen? Diese Frage müssen Sie der Bevölkerung unseres Landes und der Weltgemeinschaft beantworten!

Die 100 Milliarden, verbrämt mit dem Begriff „Sondervermögen“, sind nichts anderes als Kriegskredite wie 1914. Sie wurden sogar im Grundgesetz verankert. Damit erlangen die Profite der Rüstungs­industrie Verfas­sungsrang, ein in der Geschichte beispielloser Vorgang. Und die Erfüllung des so genannten „2-Prozent-Ziels“ der NATO, also 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – dem Wert aller in einem Jahr produzierten Güter und Dienstleistungen –, jährlich für die Rüstung auszugeben, bläht den sog. „Verteidigungshaushalt“ auf über 70 Milliarden Euro auf. Damit wird Deutschland zum drittgrößten Rüstungsproduzenten der Welt, hinter den USA und China, aber noch vor Russland, und sie bekommt die viertgrößte Armee der Welt. Die Bundeswehr soll damit nicht nur verteidi­gungs­bereit, sondern „siegesfähig“ werden, wie es so schön entlarvend heißt. Dem Frieden dient das alles nicht.

Die Konsequenz ist für uns Friedensfreundinnen und -freunde klar und eindeutig: Wer den Frieden will, muss abrüsten!

III.

Nun geht es dabei auch um den inneren Frieden im Land. Denn die brisante Frage lautet: Wer soll das bezahlen? Tatsächlich wissen Sie doch ganz genau, wer am Ende für diese Staatsschulden haftet: wir alle! Und während die Champagner-Korken in den Chefetagen der Rüstungsindustrie knallen, kürzt die Bundesregierung staatliche Leistungen.

Weil 100 Milliarden im wahrsten Wortsinn „verpulvert“ werden, fehlen uns diese Mittel für unsere maroden Schulen und Krankenhäuser, für die überlasteten Pflegekräfte, für die Suppenküchen und die Erwerbslosen, für die Renten und für auskömmliche Löhne, für den Bahnausbau und die Glasfasernetze. Die Bundesregierung lügt, wenn sie uns vormacht, für all das sei nicht genügend Geld vorhanden. Wir rufen Sie alle dazu auf: protestieren Sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die Kürzung sozialer Leistungen!

Auch aus dieser Sicht gibt es für uns Friedensfreundinnen und -freunde nur eine Konsequenz: Wer den sozialen Frieden will, muss abrüsten!

IV.

Die 100 Milliarden fehlen auch beim Klimaschutz. Wir stehen vor der gigantischen Herausforderung, unser ganzes Leben auf die Verwendung erneuerbarer Energien umzustellen, alle wissen das. Doch das Militär bleibt immer außen vor. Auf Druck der USA, und unsere Regierung hat mitgemacht, wurden die Umweltschäden der Armeen 1977 vom Kyoto-Protokoll ausdrücklich ausgenommen. Nach dem Pariser Klimaabkommen von 2015 ist die Berichterstattung für die Staaten nur freiwillig, weshalb das bis heute kaum ein Staat macht. Der Verbrauch fossiler Rohstoffe durch das Militär, dessen Abgase und die weitere Umweltvernichtung tauchen in den Umweltbilanzen nicht auf.

Dabei ist das Militär die größte vorstellbare Umweltsau! Jeder Leopard2-Kampfpanzer benötigt auf 100 Kilometer 530 Liter Diesel. Jeder der F-35-Kampfjets bläst 28 Tonnen CO2 pro Tankfüllung in die Atmosphäre. Weltweit ist das Militär für etwa 6 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Hinzu kommen die Umweltschäden, die im Krieg angerichtet werden.

Seit ein paar Jahren veröffentlicht die Bundeswehr einen sog. „Nachhaltigkeitsbericht“. Für 2019 wurde darin der CO2-Ausstoß von der Bundeswehr selbst mit 1,7 Millionen Tonnen angegeben, das ist mehr als der gesamte zivile Luftverkehr verursacht. Nach dem letzten Bericht ist ihr CO2-Ausstoß von 2019 bis 2021 um satte 18 Prozent angestiegen. Der tatsächliche Wert wird von Wissenschaftler:innen mit 3,1 Millionen Tonnen noch sehr viel höher eingeschätzt.

Auch aus dieser Sicht gibt es für uns Friedensfreundinnen und -freunde nur eine Konsequenz:  Wer das Klima schützen will, muss abrüsten!

 

Aus Anlass des Antikriegstages am 1. September erinnern wir heute daran: Gewalt bringt keine Lösung von Konflikten, sie ist nur die Ursache für weitere Konflikte, für weiteres Leid und weiteres Sterben. Beziehen auch Sie Stellung gegen Hochrüstung und Krieg!

Zum Beispiel bei den Mahnwachen, die die Oberhausener Friedensinitiative an jedem 9. eines Monats durchführt, die erste am Samstag, 9. September, um 16.30 Uhr vor dem Hauptbahnhof. Am 9. August 1945 legte die zweite der von den USA über Japan abgeworfenen Atombomben die Stadt Nagasaki in Schutt und Asche. Diese Atombombe muss die letzte abgeworfene Atombombe in der Geschichte der Menschheit bleiben. Statt wie unsere Bundesregierung einen dritten Weltkrieg gegen Russland oder China vorzubereiten, wollen wir die internationale Diplomatie und Konzepte für zivile Verteidigung stärken. Erhöhen wir gemeinsam den Druck auf unsere Regierung, statt für den Krieg für den Frieden zu arbeiten!

Ich danke allen fürs Kommen und fürs Zuhören und schließe mit den Worten der Gründerin der Deutschen Friedensgesellschaft, Bertha von Suttner, aus dem Jahr 1898: „Die Waffen nieder!“

Ralf Fischer, 1. September 2023

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