AutorInEin Beitrag von Lühr
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Die Linke Kreisverband Oberhausen
11.04.2022

Bericht und Statement zum Protest gegen die militaristische „Pop-Up-Karriere-Lounge“

Da stehe ich nun am 19. März 2022 um 10:30 Uhr mitten im Centro und blicke in ein Fenster der gerade eröffneten „.Pop-Up-Karriere-Longue“ der Bundeswehr. Meine DfG-VK-Warnweste mit der Aufschrift „FRIEDEN SCHAFFEN OHNE WAFFEN!“ zeigt zum neugierigen Publikum. Die Weste meines Mitstreiters vor dem rechten Fenster fordert „BUNDESWEHR ABSCHAFFEN!“

Das Erfreuliche: Die meisten Passanten lesen die Worte und unterhalten sich darüber. Keine einzige negative Äußerung kommt von dieser Seite. Ein Vater zeigt auf das uniformierte Personal und sagt laut zu seinem Sohn: „Da sind sie wieder, die Seelenfänger!“

Hier, inmitten des berühmten Konsumtempels, sollen sich junge Menschen eine Karriere kaufen! Den Worten der größtenteils uniformierten Verkäufer:innen entnehme ich, dass es dabei nur um Ausbildung und Studium geht. Ohne Zugangsbeschränkungen natürlich. Kein Wort ist zu hören über das grundlegende Hauptfach: Die Ausbildung an Waffen, um im Krieg ungestraft unbekannte Menschen zu töten. Die Möglichkeit, dabei selbst im Sarg nach Hause zu kommen, wird, das weiß ich aus eigener Erfahrung, auch bei der Ausbildung vorsichtshalber nicht thematisiert.

Hier werden Kinder und Jugendliche mit Bild und Wort überwältigt. Bertha von Suttner fällt mir ein mit ihrem Spruch: „Keinem vernünftigen Menschen würde es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut, das soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden!“ Keine Chance haben die Betroffenen, sich hier über diese Frau und die Hintergründe zu ihrem Aufruf „Die Waffen nieder!“ zu informieren!

Trotz Warnweste sind wir älteren Männer für Frau Oberst und Herrn Oberstleutnant kein Thema. Erst als sich sechs Jugendliche vor dem Seelenfänger-Laden aufstellen und ein Transparent mit „KEIN WERBEN FÜRS STERBEN“ und Schilder mit „AUSBILDUNGSPLÄTZE STATT KRIEGSEINSÄTZE“ zeigen, wird das Verkaufspersonal hektisch. Plötzlich tritt einer in Zivil aus dem Laden, verlangt, die Spruchbänder einzurollen und sofort zu verschwinden. Passanten mit Fotoapparat oder Mobiltelefon vor der Nase werden barsch aufgefordert, das Fotografieren sofort zu unterlassen und sich ebenfalls zu entfernen.

Was würde wohl geschehen, denke ich, wenn ich jetzt Bettina Wegners Lied „Soldaten“ laut singen würde? Oder Hannes Waders „Es ist an der Zeit!“, Reinhard Meys „Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!“? Vermutlich ist lautes Singen in diesem privaten Tempel des Konsums eh verboten. Demokratie und Meinungsfreiheit gibt es draußen, hier ist ein Privatbereich, da sind solche Dinge eher hinderlich.

Plötzlich interessiert sich doch einer der Stabsoffiziere für uns. Richtig zuhören hat er nicht gelernt, ihm liegt mehr der Angriff: „Was sind Sie denn von Beruf?“ „Öffentlicher Dienst? Wer ist denn Ihr Arbeitgeber? Weiß der eigentlich, was Sie hier treiben?“

Bevor wir ihm etwas über die außerhalb dieser Mauern herrschende Demokratie, Meinungsfreiheit, etc, verraten können, erscheinen zwei Männer vom Sicherheitsdienst und fordern uns auf, das Centro auf schnellstem Weg zu verlassen. Einer begleitet uns mit unseren Warnwesten und Friedenstauben durch die Menge bis zum Ausgang und dann sogar noch bis zu unseren Fahrrädern. Dass er uns mit einem 24-stündigen Hausverbot belegt, trifft uns natürlich tief.

Viel mehr konnten wir nicht erwarten, schade nur, dass die lokale Presse nicht zeitgleich zur Eröffnung erschienen ist.

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