AutorInEin Beitrag von Lühr
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Die Linke Kreisverband Oberhausen
17.05.2022

Landtagswahl: Rede am Wahlabend

Oberhausen, 15. Mai 2022

 

Liebe Genossinnen und Genossen!

Das habt Ihr nun davon. Vor einigen Monaten habt Ihr mich zum Direktkandidaten für Oberhausen I gewählt. Nach einem intensiven Wahlkampf müsst Ihr nun auch noch diese Rede aushalten. Und es wird länger, das verspreche ich Euch.

Linke Politik! Ich vermute mal, dass das der gemeinsame Nenner ist, der uns nicht nur heute hier zusammen geführt hat. Genau da fängt es schon an, schwierig zu werden. Die meisten von uns können einen ganzen Berg von Dingen nennen, die in dieser Gesellschaft geändert werden müssen. Bei manchen ist es ganz einfach der Gerechtigkeitssinn, viele haben ganz konkrete Erfahrungen gemacht, andere haben ihr Leben lang dicke und dünne Bücher gelesen. Herausgekommen sind sehr unterschiedliche Überzeugungen, Überzeugungen aber, die andere Parteien so nicht vertreten.

In meinem Berufsleben habe ich mit vielen Menschen Bewerbungsgespräche geführt. Meine Standardfrage war: “Was macht unser Unternehmen so einzigartig, dass Sie sich für uns entschieden haben?” Genau diese Frage stelle ich Euch heute – keine Angst, nur rhetorisch. Was ist für Euch der eine Punkt, was sind die Themen, die linke Politik anders, ja, einzigartig machen? In zukünftigen Bildungsveranstaltungen sollten wir darauf zurückkommen.

In den letzten Wochen habe ich viele Menschen getroffen. Bei Wahlauftritten, beim Stecken in Treppenhäusern und vor Häusern, auf der Straße beim Hängen von Plakaten. Eine Frage habe ich immer wieder gehört: Warum treten Sie für denn ausgerechnet für DIE LINKE an? Meine Antwort war für viele so überraschend, dass sie oft Schnappatmung bekamen. “Als Direktkandidat der LINKEN“, antwortete ich, „habe ich keine Chance, gewählt zu werden. Aber ich kann vielen Menschen linke Standpunkte erklären bzw. nahe bringen. Das ist genau das, was mir wichtig ist!“ Und das habe ich in den letzten Wochen getan.

Und im Gegensatz zu den Worten unseres OBs, der 2020 meinte “Mit Herrn Koch verlässt DER Idealist diesen Rat!”, gehöre ich zu den gerade erwähnten Menschen, die ihr Leben lang Bücher von und über Marx und Engels gelesen habe. Nein, ich bin kein Idealist, verdammt noch mal! Womit wir jetzt schon mittendrin sind!

Das Einzigartige linker Überzeugung beginnt genau hier: Es kommt nämlich kein Zeigefinger irgendeines bärtigen Mannes wie bei Michelangelo, der bezeichnenderweise einen Adam schafft. Nein, unsere Gedanken, unser Verhalten, unser mehr oder weniger solidarisches Zusammenleben kommt nicht aus irgendwelchen strahlenden Wolken! Und das ist gut so, denn sonst müssten wir uns mit dem, was wir haben, zufriedengeben!

Alle Gewalt, die diese Gesellschaft erfährt, Armut, Ausbeutung, Hunger, Durst, der stattfindende Klimawandel und, als höchste Stufe aller Gewalt, vernichtende Kriege, all das fällt nicht vom Himmel! All das ist menschengemacht. Und dabei geht es, wir erleben es jeden Tag, immer um Macht. Punkt!

Damit eine Minderheit gegenüber der Mehrheit überhaupt Macht erreichen, erhalten und immer weiter ausbauen kann, braucht es alle unterschiedlichen Werkzeuge der Gewalt. Und – jetzt sind wir schon fast da, wo wir hinwollen: Sie benötigen so tolle Dinge, wie die Mär vom Tellerwäscher, der für sich aus dem Nichts Berge von Eigentum geschaffen hat. Das hat er, um das zweite Märchen zu bedienen, nur geschafft, weil er die Freiheit hatte, am Markt mit anderen zu konkurrieren. Denn, drittens, nur der Markt und seine unsichtbare Hand sind in der Lage, ein Leben in Freiheit aufzubauen. Und das wird, viertens, immer so weitergehen, Hauptsache wir halten uns an den Grundsatz des dafür notwendigen ewigen Wachstums.

Also, um das mal mit Bildern deutlicher zu machen: Die 45 Joghurtmarken im Supermarktregal, herangeschafft von nah und fern, sind die Grundlage unserer Freiheit. Genauso, wie die kilometerlangen LKW-Schlangen auf der Autobahn. Das Fällen von Bäumen in Oberhausen oder irgendwo anders auf dieser Erde, die Versiegelung von Flächen, das Schaffen riesiger Löcher, um Rohstoffe zu fördern, all das benötigen wir Menschen für unser Leben. Mit einem jährlichen Wachstum,, selbstverständlich. Denn erst dann sind wir wirklich frei.

Schade natürlich, dass es dabei zu diesen dummen Kollateralschäden kommt! Wir wissen ja, sagen sie dann alle schön im Chor, dass unser System nicht perfekt ist. Ja, es ist bedauerlich, es gibt Tod durch Armut, Hunger, Durst, immer wieder auch durch Krieg, aber – das ist eben der Preis für unsere Freiheit. Für unsere Freiheit! Sagten die Schafe und wählten sich den Schlachter, der am schönsten sprechen konnte, möchte man hinzufügen.

Wie gesagt, Menschen sind für diese Zustände verantwortlich! Und, jetzt kommt’s, liebe Genossinnen und Genossen: Dagegen aufzustehen, ist notwendig und lohnend! Immer und immer wieder! Auch wenn unsere Feststellungen gerade nicht so beliebt sind, so wie wir es gerade in den letzten Wochen wieder erlebt haben: Auf die Straße zu gehen, unseren Mitmenschen klar zu machen, warum ihr Erspartes gerade immer weniger wird, während die auf der anderen Seite trotz Inflation immer reicher werden, was die Grundlage für die Angst um den Verlust ihres aktuellen Lebensstatus ist, ihnen dann zu erzählen, dass ein gutes Leben für alle Menschen, also auch für sie, möglich ist, es lohnt sich!

Jetzt kommt der bittere Schluss für manche: ein gutes Leben für alle ist nicht durch nationale Grenzen, die für DGB-Tarife gelten, begrenzt. Nein, ich meine es grenzenlos für alle Menschen auf dieser Erde. Der einzige Spruch, den ich seit mehr als fünfzig Jahren mit voller Überzeugung rufe, drückt es aus. Der einzige, mit dem dieses System gar nichts anfangen kann, weil er Eigentum, Konkurrenz, ewiges Wachstum und Kriege überflüssig macht. Und damit soll dann auch Schluss sein. Ich danke Euch, liebe Genossinnen und Genossen für diesen Wahlkampf!

Hoch die internationale Solidarität!

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